Schöne Wörter – hässlich gebraucht

schöne wörter

Sie sind schön. Und sie malen auch noch. Mit Lauten. Heute geht es um schöne Wörter. Allerdings geht es auch um den hässlichen Gebrauch dieser Wörter, einen Gebrauch, der dem aufmerksamen Leser auf allen medialen Kanälen entgegenschreit. Umgekehrt: Wer als Schreiber auf solche sprachlichen Feinheiten nicht achtet, gelangt nicht zu großartigen Texten.
Ganz sicher wollen Sie aber glänzende Texte schreiben – sonst wären Sie nicht hier. 🙂 Deshalb erfahren Sie im hier und jetzt, wo die Ich-plappere-gern-Mediensprech-nach-Fallen lauern.

1. drohen

Hilfe, ein Fahrverbot droht mir! Und ich habe keine Abwehrstrategie, keine Waffe! 🙁 Ach nee, falsch, das Fahrverbot droht ja nur Dieselautos, lese ich. Moment, nee, auch nicht, ich lese wörtlich:

In vielen deutschen Großstädten droht nun ein Fahrverbot für Dieselautos.

 Womit droht es eigentlich? Und noch wichtiger: WEM? Aha, hier haben wir auch schon den grammatischen Schwergewichtfehler: Das Verb drohen ist ein Verb mit direktem Dativ-Objekt, Beispiel: Sie droht ihm. Und nicht: Sie droht für ihn. Ja, man glaubt es kaum, gedankenlos werden solche Fehler in allen Medien übernommen! Grammatisch richtig muss es heißen: 

In vielen deutschen Großstädten droht Dieselautos nun ein Fahrverbot.

Grammatisch wohlgemerkt. Doch: Das Verb drohen drückt ein aktives Vorgehen aus, begleitet durch eine spezielle Mimik und Gestik, einen besonderen Tonfall. Drohen hat ein Gegenüber, in der Grammatik eben ein Dativ-Objekt (Dativ von lat. dare=geben). Wie kann demnach ein Abstraktum wie Fahrverbot einer Person oder Sache drohen? Sie sehen: eine rundum gelungene Nonsens-Formulierung, die als Floskel weitergereicht wird. Und leider beschränkt sie sich nicht auf das Fahrverbot. Erst gestern las ich in einem Gesundheitsmagazin: „Bei starker Sonneneinstrahlung droht Dehydrierung." 

Noch ein Letztes zu drohen: Das seit dem 8. Jh. nachweisbare Verb (dron; drouwe=Drohung; veraltet: dräuen) ist vor allem deshalb einfach schön, weil es durch die lautmalerische Buchstabenfolge „d" und „r" etwas wirklich Einschüchterndes hat. Sprechen Sie es einmal mit rollendem „r" aus ... Und: Lassen Sie es als Schreiber wirklich drrrohen!

2. massiv

Fangen wir mit dem Hauptwort Bergmassiv an – wunderbar, wie sich einem hier die Felsmasse entgegenstellt. Ach ja, jetzt war Ostern, da gab es wieder hohle und massive Schokohasen. Passt. Was meinen Sie zu diesem Satz? 

Massiver Stellenabbau beim Unternehmen XY

Ja, zig mal gelesen, ich weiß. Aber: Massiver Abbau?! Da stellt sich doch die Frage: Wie kann ein Vorgang, der ausdrückt, dass etwas  weggenommen wird, mit dem Adjektiv massiv belegt werden? Massiv/massiv  bedeutet festgefügte Masse. Auch hier eine völlig verunglückte Kombination. 

Welches Adjektiv können wir nun wählen, um den Stellenabbau passend zu beschreiben? Zum Beispiel dieses:

Einschneidender Stellenabbau beim Unternehmen XY

Ja, ich weiß, massiv schreibt und spricht sich schneller, aber damit ist es noch nicht richtig. Hier weitere Unglücksfälle mit dem mittlerweile schwächelnden Floskel-massiv, das ehemals so schön stark war – und dazu Alternativen, die den Gähnreflex des Lesers gar nicht erst aufkommen lassen: 

ein massiver Nachfrageeinbruch --> ein enormer Nachfrageeinbruch
ein massiv erhöhtes Infektionsrisiko --> ein stark erhöhtes Infektionsrisiko
der massive Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs --> der umfangreiche Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs

massive Einsparungen --> merkliche Einsparungen

Und zum Schluss noch ein Lichtblick:

Möglicherweise hätten sich die Kritiker um Jens Spahn massiv formiert.

Endlich! dachte ich, endlich passt es einmal! Denn hier geht es wirklich um Masse. Hoffentlich kein Zufallstreffer des Journalisten.

Und hier für Sie noch einmal die Alternativen für das missbrauchte Wörtchen massiv:

  • enorm
  • einschneidend
  • merklich
  • stark
  • umfangreich

3. sorgen für

Sie hatte immer umsichtig für Ihre fünf Haustiere gesorgt.

Der Gastgeber sorgte dafür, dass ausreichend Getränke vorhanden waren.

Zwei stimmige Sätze. Doch wie ist es hier?

Die letzte Abstimmung sorgte für Verwirrung.

Die jüngste Entscheidung sorgte für Unmut bei den Betroffenen.

Ja, genau, hier knirscht es unüberhörbar. Wer für etwas oder jemanden sorgt, kümmert sich um dessen Wohlergehen. Oder er bemüht sich, dass etwas vorhanden ist oder erreicht wird. Ein Abstraktum kann sich jedoch nicht um das Wohl eines Abstraktums kümmern. Das ist Nonsens. Auch wenn der Duden hier als Zugeständnis an den inflationären falschen Gebrauch die Bedeutungserweiterung bewirken, hervorrufen nennt. Ja, du liebe Güte, dann schreiben wir es auch so hin:

Die letzte Abstimmung rief Verwirrung hervor.

Die jüngste Entscheidung bewirkte Unmut bei den Betroffenen.

Und statt in diesem Satz die Präzision-ist-mir-piepegal-Sprache der Medien zu verwenden:

           Bei den meisten Mitgliedern hat der Antrag für Verärgerung gesorgt.

Sollten Sie besser so schreiben:

           Bei den meisten Mitgliedern hat der Antrag zu Verärgerung geführt.

Denn mit den Verben bewirken, führen ... zu, hervorrufen drücken Sie viel eingängiger die unmittelbare Folge aus als mit dem unpassenden sorgen für.

FAZIT

Sie wollen großartige Texte schreiben? Dann kommen Sie nicht drumherum, Formulierungen, die Sie überall lesen und hören, zu überdenken – und sie eben nicht gedankenlos zu übernehmen. Wenn Sie allein schon auf den täglich zu lesenden, schiefen Gebrauch dieser drei Wörter verzichten, haben Sie Ihrem Leser schon den Gähnreiz erspart. 🙂 Hier sind Sie noch einmal, die drei schönen Wörter:

  • drohen
  • massiv
  • sorgen für

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Über die Autorin Dr. Gabriele Frings

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