Schlechte Verben? Ja, die gibt's auch. Und das sind nicht die, die wir statt Mitteilung, Steigerung, Unterstützung benutzen: mitteilen, steigern, unterstützen – die sind gut, weil sie einen Schreibstil à la Behördendeutsch verhindern und den Text lebendig halten.
Doch Vorsicht! Nicht alle Verben sind golden. Manche sind nicht einmal bronzen, denn sie sind aussageschwach, aufgebläht, verwischen die Konturen des Satzes.
Hier die schlimmsten dieser Spezies, die sich gerne in unsere Texte schleichen.
[Übrigens: Das Bild zeigt eine recht eigenwillige Abkürzung des Verbs „verboten“. Haben Sie sich schon gedacht, oder? ;-)]
1. machen macht keinen guten Eindruck
Vor einiger Zeit las ich in einem Blog zum Thema Zeitmanagement:
Die Dinge zu verschieben macht wenig Sinn. Außerdem macht es keinen Unterschied, ob du die Aufgabe heute oder in einer Woche erledigst.
Uiih, hier haben wir – richtig, das fade Alltagsverb machen im Doppelpack. Die Sprachfüchse unter Ihnen wissen es sicher: Hier sind zwei englischsprachige Strukturen versteckt, übernommen von it makes (no) sense und it makes (no) difference.
Über das Für und Wider solcher Anglizismen ist bereits viel diskutiert worden. Ich stelle nur fest: Solcher Mediensprech sorgt dafür, dass wir das ausdruckslose Verb machen vermehrt verwenden. „Leider" deshalb, weil machen schon oft genug in deutschen Sprachgeweben vorkommt. Ja, wir Schreiber sind echte Macher:
Erfahrungen machen, Urlaub machen, eine gute Figur machen, seinen Abschluss machen, Karriere machen, einen schlechten Eindruck machen, eine Andeutung machen – dann doch besser erstmal eine Schreibpause machen.
Sehen Sie, was ich meine? Und das ist nur eine kleine Auswahl. Darum sollten Sie überall, wo es möglich ist, das allzu blasse machen ersetzen.
Schreiben Sie also beispielsweise statt: eine Andeutung machen, besser machen, fähig machen, möglich machen, teurer machen, billiger machen zwischendurch mal: andeuten, verbessern, ermöglichen, befähigen, verteuern, verbilligen. Und der obige Satz lautet besser:
Die Dinge zu verschieben ergibt wenig Sinn. Außerdem ist es kein Unterschied, ob du die Aufgabe heute oder morgen erledigst.
SO klingt abwechslungsreich. Und der Leser fällt gar nicht erst in die machen-Trance.
Noch eins: Wenn Sie auf eingefahrene Wort-Kombinationen mit machen verzichten, gibt Ihnen das die wunderbare Chance, viel konkreter und klarer zu schreiben. Schauen Sie:
Die Kunden haben mit dem neuen Tool gute Erfahrungen gemacht.
Ein Allerweltsallgemein-Satz, der den Leser im Nebel lässt.
Die Kunden haben erfahren, wie sie mit dem neuen Tool unglaublich viel lästige Arbeit sparen und so mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben haben.
Hier ist alles licht – und der Leser strahlt.
2. sein und haben – die Couch-Potatos
Bewegung ist gut, nicht für Ihre Gesundheit, sondern auch für Ihren Text. Bringen Sie Ihr Schreibprodukt auf Trab! Wenn Sie sein oder haben als Vollverb benutzt haben, prüfen Sie, ob Sie es nicht dynamischer und genauer schreiben können.
Der Bewerber hat Potenzial.
Ein stehender Satz, da hat eine Statue noch mehr Dynamik.
Der Bewerber hat gezeigt, dass er sich in unterschiedliche Themen schnell einarbeiten kann.
DA ist Bewegung drin. Und die nimmt den Leser mit.
Das gleiche gilt für das Allerweltsverb sein. Natürlich ist es, wie haben, als Hilfsverb unentbehrlich, vor allem bei zusammengesetzten Zeiten wie dem Perfekt oder beim Passiv. Deshalb spreche ich auch hier von sein als Vollverb. Denn als solches bleibt es fast immer fade und allgemein. Es ist ein Unterschied, ob ich schreibe:
Auf dem Marktplatz war eine große Menschenmenge.
Oder:
Auf dem Marktplatz drängte sich eine große Menschenmenge.
3. beinhalten (warum nicht armhalten?) und andere Umständlichkeiten
Hier darf ich mal eine persönliche Abneigung äußern: beinhalten, wie igitt ist das denn?! Wenn mir dieses Verb begegnet – und das ist leider täglich der Fall – spüre ich wirklich immer einen Druck in der Magengegend.
Das Thesenpapier beinhaltet die wesentlichen Punkte des Referats.
Herrje, warum nicht:
Das Thesenpapier enthält die wesentlichen Punkte des Referats.
Enthalten ist die korrekte Ableitung vom Hauptwort Inhalt, nicht der geschriebene Witz beinhalten – der nur getoppt wird von Beinhaltung.
Es gibt noch andere Verben, die von Hauptwörtern abgeleitet sind und sich dadurch arg umständlich lesen lassen. Das sind vor allem Verben, die auf „-ieren“ enden wie etwa problematisieren, konzeptionieren oder ideologisieren:
Der Vorstand will dieses Thema nicht zusätzlich problematisieren.
Holpert.
Dieses Thema soll laut Vorstand nicht zum Problem werden.
Flutscht.
Am besten lesen Sie sich Ihre Sätze immer laut vor. So merken Sie garantiert, wann es umständlich klingt – und Sie einfacher und klarer formulieren sollten.
4. Schlechte Verben: die Modalverben können, müssen, dürfen, sollen, mögen
Modalverben heißen so, weil sie den Modus, die Art und Weise angeben, in der die Handlung geschieht.
Ich muss diese Aufgabe noch erledigen, oder besser: Ich darf diese Aufgabe erledigen. 😉 In beiden Sätzen hat das Modalverb seine Berechtigung. Denn ein ganz anderer Modus herrscht im Aussagesatz: Ich erledige die Aufgabe.
Warnung! Modalverben können jedoch derart Ihren Text infizieren, dass er an der heimtückischen Laberitis leidet! 60 % der Modalverben sind in Texten überflüssig. Wenn Sie dabei sind, ein Modalverb zu verwenden, sollten Sie immer fragen: Ist das für die Aussage nötig? Ein Beispiel:
Wir sind ein starkes Team, um Sie optimal unterstützen zu können.
Der Satz ohne Modalverb ist viel knackiger und aussagestärker:
Wir sind ein starkes Team, um Sie optimal zu unterstützen.
Sinnlose Modalverben verschleiern eine klare Aussage. Wenn das öfters im Text passiert, wird Ihr ganzes Schreibprodukt verwässert, es verliert an Aroma.
Nun ein Mini-Power-Training für Sie:
1) Schreiben Sie nicht fad, sondern mit Würze! Ersetzen Sie das Verb machen:
– Im Mai machen wir Urlaub in der Schweiz.
2) Schreiben Sie flüssig lesbar statt schlecht zu lesen:
– Unser Team konzeptioniert gerne außergewöhnliche Marketing-Strategien für Sie.
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„beinhalten" – warum nicht „armhalten"?! Vorsicht vor schlechten Verben! Herzhüpfer erzeugende Alternativen finden Sie hier.
Noch ein schönes Anti-Verb-Beispiel: Erfolgen. „Zunächst erfolgt die korrekte Auslegung der Anlage, bevor man das Angebot erstellen kann.“ …. Ha, erstellen geht auch schöner. Ach ja, deutsche Sprache, schöne Sprache – oder holprige Sprache, ganz wie man will.
Hallo Frau Reutner,
ja, „erfolgen“ hat noch den Nachteil, dass es immer eine Amtsdeutsch-Hauptwort-Konstruktion nach sich zieht, siehe Ihr Beispiel. Wenn man Ihren Satz ohne „erfolgen“ baut: „Zunächst müssen Sie die Anlage auslegen, bevor Sie das Angebot erstellen können.“ – dann hat man eine verbale und damit flüssiger lesbare Variante. Weitere Bespiele, wie man hässlichen Behördendeutsch-Stil vermeiden kann, habe ich in diesem Blogbeitrag zusammengestellt: https://schreibenundleben.com/behoerdendeutsch-igitt-so-schreiben-sie-lebendige-texte/
Viele Grüße
Dr. Gabriele Frings
PS: Bei „Deutsche Sprache = schöne Sprache“ bin ich ganz bei Ihnen. 🙂