Liebe Verwandte oder liebe Verwandten? Eine verblüffende Strategie, stets die richtige Endung zu finden!

kanadagans zu Endung

Neulich rief mich spät abends ein befreundeter Texterkollege an. Seine Verzweiflung war, zugegeben, ein wenig gespielt: Er sei jetzt seit Jahren Berufstexter und könne nicht mal seine Einladung zum 50. Geburtstag richtig formulieren! Worum ging es? Um die Anrede. Heiße es nun „liebe Verwandten“ oder „liebe Verwandte“, so seine nach Erlösung schreiende Frage. Ach, dachte ich, die Antwort ist sicher auch nützlich für meine Leser. Und war nicht mehr ganz so verärgert über das Handy-Klingeln zu später Stunde.

Jaaa, was meinen Sie, wie ist die richtige Endung? Sie müssen eher raten? Hm, das kann ins Auge gehen. Ich verspreche Ihnen: Nach der Lektüre dieses Artikels haben Sie DAS professionelle Hintergrundwissen, das Sie alle Endungen souverän meistern lässt. Ohne immer wieder beim Duden-Regime um Audienz zu bitten.

1. Die richtige Endung: Warum sind Verwandte, Angestellte und Studierende verwandt?

Tja, wie heißt es nun:

Liebe Verwandte oder liebe Verwandten?

Verehrte Angestellte oder verehrte Angestellten?

An alle Studierende oder an alle Studierenden?

Dann wollen wir mal den Unsicherheitsfaktor von 99 % aus dem Weg räumen, damit Sie überlegen zum Ziel „professioneller Schreibstil” durchmarschieren können. 🙂

Vielleicht ist es Ihnen ja schon aufgefallen: Alle drei Begriffe stehen in der Mehrzahl und sind substantivierte Adjektive. Auch Partizipien wie angestellt und studierend werden ja wie Adjektive in beifügender Funktion benutzt, zählen also als Adjektive (die angestellten Mitarbeiter; die Angestellten).
Immer, wenn wir ein solches substantiviertes Adjektiv vor uns haben, wird es wie ein Adjektiv gebeugt: die bekannte Frau – die Bekannte; der bekannten Frau – der Bekannten. Wie Sie sehen, haben wir im Singular mit der Endung keine Schwierigkeiten. Unsicher werden wir erst beim Plural, wie wir an den Beispielen oben sehen. Hier nun die verblüffend einfache Regel für die Pluralform.

2. Die richtige Endung: die Adjektivdeklination

Fall 1: die guten Texte – die Guten
Haben wir einen Artikel, dann folgt die Endung -en.
Fall 2: gute Texte – Gute
Haben wir keinen Artikel, dann folgt die Endung -e.

That's it! Jetzt holen wir die Verwandten und Angestellten ab. Ich bin mir sicher, Sie kennen nun die richtige Lösung für die Anrede. Genau, es heißt:

Liebe Verwandte ...

Verehrte Angestellte ...

Denn in beiden Fällen gibt es keinen Artikel. Mit Artikel hieße es: die lieben Verwandten, die verehrten Angestellten. Sie sehen, hier haben jeweils Adjektiv und substantiviertes Adjektiv die gleiche Endung, beide werden gleich gebeugt.

3. Die richtige Endung: Was ist ein Artikel, was nicht?

Keine Bange, die Studierenden habe ich nicht vergessen. Hier schreiben wir:

An alle Studierenden.

Denn: Alle ist ein Artikel, genauso wie manche und solche. Deshalb bekommt das substantivierte Adjektiv hier ein -n, genauso, als würde der Artikel „die“ stehen: An die Studierenden. Dazu noch ein Beispiel:

Manche alten Bekannten lassen nichts mehr von sich hören.
(gebildet wie: Die alten Bekannten ...)

Kleiner Tipp: Um sich die drei Artikel zu merken, hilft als trittsichere Eselsbrücke „a-ma-so”, als Pendant zu Amazon. 😉 Wenn sie gerne noch den bestimmten Artikel dabei haben möchten: „die-a-ma-so”.

Dagegen sind einige, mehrere, viele, wenige keine Artikel. Aber hier ist unser Sprachgefühl meistens sicher genug, um die richtige Endung -e bei substantivierten Adjektiven zu benutzen. Beispiel: Der Hinweis geht an mehrere Mitarbeitende. (... an mehrere Mitarbeitenden klänge arg seltsam)

So, am Schluss noch ein kleines Festigungstraining für Sie. Wie heißt nun die richtige Endung bei folgenden substantivierten Adjektiven?

Bin ich froh, dass ich nicht solche Verwandt... habe.
Mehrere Schön... betraten den Laufsteg.
Manche Frem... waren auf dem Fest.
Solche Arbeitslos... brauchen Unterstützung.
Wir Deutsch... essen zu viel Schweinefleisch.

Yeah, und das alles ohne Duden, Doodle, Google!

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Über die Autorin Dr. Gabriele Frings

Als Schreibcoachin, Trainerin, Textberaterin, Dozentin helfe ich Ihnen, einen 100%ig ansprechenden Schreibstil zu entwickeln und in Beruf und Business erfolgreich zu sein.

  • Christine Riese sagt:

    Hallo, Frau Frings,
    mir ist noch nicht klar, warum „wir“ nicht wie ein Artikel behandelt wird; ich habe immer so formuliert: Wir Deutschen…

    • Dr. Gabriele Frings sagt:

      Hallo Frau Riese,

      „wir“ ist ein Personalpronomen und kein Artikel. Es ist allerdings so, dass man mittlerweile zwischen der starken (und eigentlichen korrekten) Form „Wir Deutsche“ und einer schwachen Form „Wir Deutschen“ unterscheidet. In der Umgangssprache hat sich die schwache Form schon fast durchgesetzt. In der Schriftsprache würde ich immer die starke Form verwenden.

      Viele Grüße

      Dr. Gabriele Frings

  • Angela B. sagt:

    Hallo Frau Frings,
    wie sieht es denn mit „alle“ aus in der Wendung „alle drei Jahre erforderliche Sache“. Eine Freundin sagte, es müsse „aller drei Jahre erforderliche Fortbildung“ heißen. Mein Bauch sagt, „alle drei Jahre erforderliche“ klingt besser.
    Haben Sie eine Erklärung, damit mein Kopf den Bauch überzeugen kann?
    Vielen Dank
    Angela

    • Dr. Gabriele Frings sagt:

      Hallo Angela,
      ja, Sie haben ganz recht, es muss heißen: „alle drei Jahre erforderliche Fortbildung“. Hier ist „alle“ allerdings kein Artikel, sondern ein zur Zeitangabe gehörendes Adverb. Das „alle“ wird also nicht verändert, egal, welcher Artikel davor steht, z. B. „die/eine/der/einer ALLE drei Jahre …“.
      Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg beim Texten
      Dr. Gabriele Frings

  • Jörn sagt:

    Warum gilt „manche“ als Artikel, „einige“ aber nicht? Für mich ist beides gleichermaßen unbestimmt. „Solche“ bezieht sich hingegen auf eine bestimmte Teilmenge, die vorher schon beschrieben wurde: „Einige Studierende glauben, dass ihnen das Examen geschenkt wird. Wir dulden solche Studierenden hier aber nicht.“

    • Dr. Gabriele Frings sagt:

      Hallo Herr Baier,
      das ist eine gute Frage. Eine eindeutige Begründung gibt es nicht. Die inhaltliche Unterscheidung, die Sie treffen, ist richtig. Aber feste grammatische Regel ist, dass „einige“ (genauso wie „etliche“ und „mehrere“) immer mit Nullartikel steht und wie ein Adjektiv gebeugt wird. Zwei Beispiele zur Unterscheidung: „Ich treffe die/alle/manche/solche/sämtliche Verwandten gerne.“ Aber: „Ich treffe einige/etliche/mehrere Verwandte gerne.“ Noch ein Beispiel für die Beugung von „einige“ bei einem substantivierten Adjektiv im Singular: „Mit einigem Neuen kann man gut starten.“
      Viele Grüße und weiterhin frohes Texten wünscht
      Dr. Gabriele Frings

    • Dominik Selent sagt:

      Guten Tag zusammen,
      ein anderer Aspekt wäre evtl. noch, dass „manche“ dem bestimmten Artikel näher ist als „einige“, weil „manche“ sich als Indefinitpronomen eben auch auf eine ganz bestimmte Teilmenge beziehen kann (Bsp.1) und „manche“ sich oft auf eine bedeutsamere (kleinere) Teilmenge bezieht (Bsp.2).

      Bsp.1: Manchem ist das schon passiert.
      Bsp.2: Die Prüfung war anspruchsvoll. Einige Studierende haben die Prüfung nicht bestanden, manche Studierenden hingegen schon.

      • Dr. Gabriele Frings sagt:

        Hallo Herr Selent,
        genau, das haben Sie richtig definiert. Das Pronomen „manch-“ bereitet uns im Singular allerdings keine Probleme. Knifflig wird es erfahrungsgemäß erst, wenn sich ein nominalisiertes Partizip (I oder II) anschließt. Und da ist dann die Frage: Mit oder ohne „-n“? In Ihrem Bspl. 2 ist es dann so: „Einige“ wird nicht wie ein bestimmter Artikel behandelt, also nicht wie „die Studierenden/manche Studierenden“, sondern so, als wäre kein Artikel vorhanden („Studierende“).
        Viele Grüße
        Dr. Gabriele Frings

  • Norbert Baumgärtner sagt:

    Sehr geehrte Frau Frings,

    vielen Dank für Ihren wie immer interessanten und hilfreichen Beitrag. Gerade stolpere ich über den Satz „Alle sind dabei: Private Haushalte, bekannte Unternehmen wie […] und natürlich sämtliche kommunale und kirchliche Einrichtungen.“
    Gehe ich recht in der Annahme, dass gemäß Ihrer Regel „a-ma-so“ das Wort „sämtliche“ nicht als Artikel zu betrachten wäre? Instinktiv würde ich nämlich „sämtliche kommunalen und kirchlichen Einrichtungen“ schreiben.

    Vielen Dank für einen kurzen Profi-Tipp!

    Ihr
    Norbert Baumgärtner

    • Dr. Gabriele Frings sagt:

      Hallo Herr Baumgärtner,
      Danke für Ihren Beitrag. Ja, Ihr offensichtlich sehr gut ausgebildeter Rechtschreib-Instinkt hat Sie nicht komplett getäuscht. 🙂 Es ist allerdings so, dass für „sämtliche“ beides gilt, Artikel und Nicht-Artikel. Beide Fälle sind möglich, also: „sämtliche kommunalen und kirchlichen Einrichtungen“. Grammatisch richtig ist auch: „sämtliche kommunale und kirchliche Einrichtungen“ – klingt aber ungewöhnlich.
      Ich wünsche Ihnen weiterhin aufmerksames Lesen und erfolgreiches Schreiben!
      Dr. Gabriele Frings

  • Thorsten sagt:

    …Manche Fremden waren auf dem Fest?

    • Dr. Gabriele Frings sagt:

      Vielen Dank für Ihre Frage. Ja, „manche“ wird wie der bestimmte Artikel „die“ gebraucht und deshalb wird das substantivierte Adjektiv schwach dekliniert: die Fremden/manche Fremden. Im Singular: der Fremde/mancher Fremde. Auch wenn es vielleicht seltsam klingt. 😉
      Viele Grüße
      Dr. Gabriele Frings

  • Timo sagt:

    Danke für diesen erfrischenden und erhellenden Beitrag! Er hat mir tatsächlich Aha-Erlebnisse beschert. „Amaso“ werde ich mir auf jeden Fall merken. 🙂 Gerne mehr davon!

    • Dr. Gabriele Frings sagt:

      Gern geschehen! Über solche Eselsbrücken wie „die-a-ma-so“ schreite ich fast täglich bei meiner Arbeit als Textcoach. Auch das Verknüpfen von (Grammatik-)Regeln mit Bildern ist oft hilfreich. Sicherlich werde ich bald einmal wieder einen Grammatikartikel posten.
      Viel Erfolg weiterhin beim Texten!

  • Ich würde solche Fragen mit unseren 4 Fällen
    Nominativ
    Genitiv
    Dativ
    Akkusativ
    eräutern:
    Liebe … Wer oder was? (Nominativ) Verwandte
    Ich grüße alle … Wen oder was? (Akkusativ) Verwandten

    • Dr. Gabriele Frings sagt:

      Wenn Sie sich in den 4 Fällen sehr sicher sind, klappt das vielleicht. Aber ich persönlich glaube nicht, dass einem Schreiber die Fragen „wer/was?“ oder „wen/was?“ in der Praxis weiterhelfen. Er antwortet auf die Frage „wer?“ ebenso mit „Verwandte“ wie mit „Verwandten“. Das ist ja die Krux, zumal es im Nominativ mit Artikel ja tatsächlich „die Verwandten“ heißt.
      Viele Grüße
      Gabriele Frings

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